Die Stellung nahestehender Personen im Kindes- und Erwachsenenschutzrecht

Von: Roland Fankhauser, Prof. Dr., LL.M., Advokat, Universität Basel & Nadja Fischer, BLaw und lic. phil., Universität Basel

Stichwörter: Kindes- und Erwachsenenschutz, nahestehende Personen, Sachverhaltsermittlung, Verfahrensstellung, Beistandschaft, Fremdplatzierung

Zusammenfassung: Das Kindes- und Erwachsenenschutzrecht dient in erster Linie dem Schutz der Betroffenen bzw. dem Wohl des Kindes. Nahestehenden Personen kommt im Kindes- und Erwachsenenschutz eine dienende Funktion zu, um den Schutz der Betroffenen und der Kinder zu garantieren. Den nahestehenden Personen darüber hinaus eine verstärkte Rechtsposition einzuräumen, stünde im Widerspruch zu den sonstigen Wertentscheidungen des Gesetzgebers und würde die Vorrangstellung des Schutzes der Betroffenen und des Wohls des Kindes relativieren. Wer gesetzlich und damit generell-abstrakt nahestehende Personen als Beistandsperson oder als Platzierungsort für Kinder ungeachtet der konkreten Umstände bevorzugt, relativiert den Schutz der Betroffenen, der erst die behördliche Massnahme rechtfertigt. Die Behörden könnten diesfalls nicht mehr die den individuellen Schutzbedürfnissen geeignetste Lösung treffen. Zudem bestehen Bedenken, eine gesetzliche Vorranglösung festzuschreiben, die in der Realität in vielen Fällen gar nicht zur Verfügung steht. Dort, wo familiennahe Ressourcen bestehen, dürften diese bereits jetzt schon genutzt werden. In Bezug auf einen vermehrten Einbezug von nahestehenden Personen in der Sachverhaltsermittlung ist zu konstatieren, dass es schweizerischer Tradition entspricht, in Verfahrensordnungen nicht für alle Fälle generell vorzuschreiben, welche Sachverhaltsermittlungsschritte jeweils vorgenommen werden müssen. Ein allfällig gesetzlich vorgegebener Einbezug nahestehender Personen müsste unter dem Vorbehalt der Ablehnung durch die Betroffenen, des Wohls des Betroffenen sowie der Verfahrensökonomie stehen. Die verschiedenen Möglichkeiten von nahestehenden Personen, sich zugunsten der Betroffenen auf dem Rechtsweg gegen behördliche Entscheide wehren zu können, könnten optimiert werden.

 

FamPra.ch 4/2019, S. 1069 ff.