Zu wissen, von wem man abstammt, ist mehr als ein Grundrecht

Von: Sandro Körber, Mlaw, Jurist, Leiter Zentrale Behörde Adoption des Kantons Thurgau, Frauenfeld & Heidi Steinegger, Berufsschullehrerin Pflege und Supervisorin, Leiterin Kantonale Zentralbehörde Adoption des Kantons Zürich, Zürich

Schlüsselwörter: Adoption, Informationsrecht, Auskunftsrecht, Persönlichkeitsrecht, Art. 268b ZGB, Art. 268c ZGB, Art. 268d ZGB

Zusammenfassung: Die volljährige adoptierte Person hat das Recht auf Kenntnis der eigenen Abstammung. Sie kann damit jederzeit die Personalien und weitere Informationen über die leiblichen Eltern verlangen. Vor dem Hintergrund der Entstehungsgeschichte des neuen Adoptionsrechtes, der gesamten Entwicklung des Rechts auf Kenntnis der eigenen Abstammung und im Sinne einer Rechtsgleichheit aller Kinder ist dieses Recht heute umfassender zu verstehen. Der Begriff der Personalien ist weiter zu fassen im Sinne von identifizierenden Informationen: Dazu gehören über die Registerdaten hinaus der Wohnort, der Beruf, die Ausbildung und die Angaben zur äusseren Erscheinung der leiblichen Eltern zum Zeitpunkt der Geburt. Dieser Auskunftsanspruch ist absolut. Absolut ist auch die Bekanntgabe des leiblichen (Zahl -)Vaters, wenn ein solcher gerichtlich oder behördlich zu einer Zahlung verpflichtet worden ist. Ein Anspruch auf weitere Informationen besteht hingegen nur beschränkt. Es handelt sich dabei um nichtidentifizierende Informationen, nämlich um Informationen, die Auskunft geben über die Lebenssituation der leiblichen Eltern, die gesamten Umstände der Zeugung, die Beweggründe zur Adoptionsfreigabe und allfällige familiäre Krankheitsgeschichten. Zu diesem Zweck hat weiterhin eine Interessenabwägung stattzufinden. Diese Auskünfte hat einzig die kantonale Auskunftsstelle zu erteilen, die namentlich die Adoptions- und die Vormundschaftsakten beizuziehen hat. Die Fragen nach der eigenen Abstammung vermag schliesslich nicht alleine das Recht schematisch zu beantworten. Wichtig ist auch, dass die Interessen aller Betroffenen wahrgenommen und berücksichtigt werden und dafür Verständnis aufgebracht wird.

 

FamPra 1/2020, S. 59 ff.