Kriterien für die alternierende Obhut

BGer 5A_904/2015

Urteil des Bundesgerichts vom 29. September 2016

NZZ vom 20. November 2016

Im Rahmen von Eheschutzmassnahmen war die Obhut der Mutter zugesprochen worden, unter Einräumung eines Besuchsrechts für den Vater. Der Vater stellte Antrag auf alternierende Obhut. Das Bundesgericht heisst die Beschwerde des Vaters wegen willkürlicher Beweiswürdigung durch die Vorinstanz teilweise gut und weist die Sache zur Neubeurteilung zurück.

Mit Entscheid für die gemeinsame elterliche Sorge steht die konkrete Ausgestaltung der täglichen Betreuung der Kinder noch nicht fest. Jedenfalls auf Antrag eines Elternteils muss der Richter bei getrennt lebenden Eltern prüfen, ob eine alternierende Obhut in Frage kommt. Das Bundesgericht legt Kriterien fest, die von den Gerichten beim Entscheid über die Frage der alternierenden Obhut zu beachten sind. Entscheidender Faktor ist immer das Wohl des Kindes. Aus kinderpsychologischen Studien lassen sich für eine Beurteilung im Einzelfall kaum generelle Schlüsse ziehen. Vielmehr ist jeweils eine gestützt auf die konkreten Umstände berücksichtigende Prognose entscheidend. Grundsätzlich kommt die alternierende Obhut nur dann in Frage, wenn beide Eltern erziehungsfähig sind. Weiter erforderlichc sind organisatorische Massnahmen und gegenseitige Information der Eltern. Das setzt voraus, dass die Eltern fähig und bereit sind, in den Kinderbelangen zusammen zu kommunizieren und zu kooperieren. Zu berücksichtigen ist weiter die geografische Situation, namentlich die Distanz zwischen den Wohnungen der Eltern. Ebenfalls eine Rolle spielt die Stabilität, die eine Weiterführung des bisherigen Betreuungsmodells für das Kind gegebenenfalls mit sich bringt. Zusätzliche Gesichtspunkte sind die Möglichkeit der Eltern, das Kind persönlich zu betreuen, das Alter des Kindes, seine Beziehungen zu Geschwistern und seine Einbettung in ein weiteres soziales Umfeld. Sofern das Kind hinsichtlich der Betreuungsanteile der Eltern einen Wunsch ausdrückt, ist diesem Beachtung zu schenken, auch wenn es bezüglich der Frage der Betreuungsregelung noch nicht urteilsfähig ist. Während die alternierende Obhut in jedem Fall die Erziehungsfähigkeit beider Eltern voraussetzt, sind die anderen Beurteilungskriterien oft voneinander abhängig und je nach den konkreten Umständen von unterschiedlicher Bedeutung.