Urteilsfähigkeit in Bezug auf ein Gesuch um Änderung des amtlichen Geschlechts und des Vornamens

CIV 17 2249

Entscheid des Regionalgerichtes Oberland vom 23. August 2017

Art. 16, 19c ZGB, Art. 67 ZPO

Minderjährige urteilsfähige Transpersonen können in eigenem Namen ein Gesuch auf Änderung des amtlichen Geschlechts und des Vornamens stellen.

Minderjährige Personen können, sofern sie urteilsfähig sind, ihnen um ihrer Persönlichkeit willen zustehende Rechte grundsätzlich selbstständig ausüben (Art. 19c Abs. 1 ZGB und Art. 67 Abs. 3 lit. a ZPO). Das Gericht lässt die Frage, ob es sich bei der zu beurteilenden Änderung um ein absolut oder relativ höchstpersönliches Recht handelt, offen, da die Gesuchstellerin im vorliegenden Fall urteilsfähig war und dementsprechend ihr Recht selber wahrnehmen konnte (Art. 67 Abs. 3 lit. a ZPO).

Die Urteilsfähigkeit eines Kindes hängt vom Grad seiner Entwicklung ab. Es muss von Fall zu Fall untersucht werden, ob ein Kind in Bezug auf die fragliche konkrete Handlung aufgrund seiner Entwicklung und seiner psychischer Reife über die nötige Vernunft und die verlangte Selbstverantwortlichkeit verfügt. Analog nach Art. 270b ZGB gilt die Vermutung, dass ein Kind in Bezug auf eine Namensänderung meistens ab Vollendung des zwölften Altersjahr urteilsfähig ist.

Die Änderung des amtlichen Geschlechts darf weder von chirurgischen noch von hormonellen Eingriffen abhängig gemacht werden. Das Gericht folgt somit der jüngsten Rechtsprechung des EGMR: Der Gerichtshof in Strassburg hat im Frühjahr 2017 klargestellt, dass medizinische Behandlungen, also sowohl eine Hormonbehandlung als auch operative Eingriffe, keine zulässigen Voraussetzungen für die Anerkennung der Geschlechtsidentität einer Transperson sind.