Verzicht auf erneute Anhörung

(Art. 144 Abs. 2 ZGB): BGE 133 III 553

Bundesgerichtsentscheid vom 5. Juli 2007

Die Anhörung des Kindes durch den Richter selbst und diejenige durch eine beauftragte Drittperson stehen nach dem Wortlaut des Gesetzes auf der gleichen Stufe. Wurde ein Kind bereits durch eine Drittperson befragt, ist von einer erneuten Anhörung durch den Richter abzusehen, wo dies für das Kind eine unzumutbare Belastung bedeuten würde, was namentlich bei akuten Loyalitätskonflikten der Fall sein kann. Überdies dürften durch die erneute Anhörung keine neuen Erkenntnisse zu erwarten sein oder der durch die Anhörung erhoffte Nutzen in keinem vernünftigen Verhältnis zu der durch die erneute Befragung verursachten Belastung stehen.

Diesfalls hat der Richter bei seinem Entscheid auf die Ergebnisse der Anhörung durch die Drittperson abzustellen. Dabei kann es sich grundsätzlich auch um ein Gutachten handeln, das in einem anderen Verfahren in Auftrag gegeben worden ist. Ausschlaggebend muss sein, dass es sich beim Dritten um eine unabhängige und qualifizierte Fachperson handelt, dass das Kind zu den entscheidrelevanten Punkten befragt worden ist und dass die Anhörung bzw. deren Ergebnis aktuell ist.